Die durchschnittliche menschliche Lebenserwartung in vorhistorischer Zeit lässt sich nur schwer erfassen. Bemerkenswert ist aber, dass die Körpergröße zu Anfang des
Neolithikums stark abnahm. Dies lässt Rückschlüsse auf den Ernährungsstatus zu.
Es wird angenommen, dass paläolithische
Jäger und Sammler bei der Geburt eine durchschnittliche Lebenserwartung von rund 30 Jahren hatten, während neolithische Ackerbauern und Viehzüchter nur 20 Jahre alt wurden.
[62] Bei diesen Werten spielt jedoch die Kindersterblichkeit eine enorme Rolle. Zieht man sie ab, liegt das Sterbealter erwachsener Wildbeuter zwischen 68 und 78 Jahren.
[63] Der amerikanische Anthropologe
Marshall Sahlins geht davon aus, dass solch hohe Werte auch für die Wildbeuter früherer Zeiten gelten, und bezeichnete sie als „ursprüngliche Wohlstandsgesellschaften“.
Nach der
neolithischen Revolution erkrankten nachweislich wesentlich mehr Menschen als vorher, vor allem an
Infektionen. Die meisten dürften durch häufigen engen Kontakt von Ackerbauern mit Vieh nach Einführung der
Viehhaltung entstanden sein. Innerhalb größerer Populationen vermehren sich die Erreger und sterben nicht aus wie in kleinen Gruppen.
Masern sollen so gesehen ihren Ursprung in der
Rinderpest haben.
[64]
Die Einführung von Ackerbau und Viehhaltung bedeutete für die Menschen zunächst eine schlechtere Gesundheit, mithin eine geringere Lebenserwartung. Dem gegenüber steht eine deutlich höhere Geburtenrate, die Lebenserwartung nahm jedoch nur sehr langsam wieder zu und erreichte wohl erst im 18. Jahrhundert wieder höhere Werte als vor der neolithischen Revolution.
[65][66]
Vor 1800 erreichten nur elitäre kleine Gruppen wie etwa der englische Hochadel eine Lebenserwartung der Männer von mehr als 40 Jahren. In Asien lag der Wert knapp darunter. In Europa lag die Lebenserwartung um 1820 bei etwa 36 Jahren. Sie war am geringsten in Spanien und am höchsten in Schweden. In Japan lag sie bei 34 Jahren.[67] Die durchschnittliche Lebenserwartung (zum Zeitpunkt der Geburt) betrug um 1800 weltweit höchstens 30 Jahre, nur selten 35 Jahre. Mehr als die Hälfte der Menschen erreichten nicht das Erwachsenenalter.[68] Seit dem 19. Jahrhundert stieg die Lebenserwartung immer schneller an.[69] Die Menschen wurden im 19. Jahrhundert schneller älter als materiell reicher. Jürgen Osterhammel bezeichnet diese Demokratisierung der Erwartung eines langen Lebens als „eine der wichtigsten Erfahrungen der neueren Geschichte“.[68] Ausnahmen hiervon waren das Subsahara-Afrika. Gründe für den explosionsartigen Anstieg der Lebenserwartung im 19. Jahrhundert werden in sanitären Fortschritten, in verbesserter Ernährung, in neuen Techniken der Gesundheitspolitik oder in Kombinationen dieser Faktoren gesehen.[70] Keinesfalls verlief die Entwicklung der Lebenserwartung im 19. Jahrhundert stetig ansteigend. Vielmehr nahm sie zu Beginn der Industrialisierung in England zunächst ab. Das materielle Leben der arbeitenden Bevölkerung verbesserte sich zuerst nicht. Auch in Deutschland zeigte sich ab 1820 eine ähnliche Entwicklung in Form von Massenarmut auf dem Land und in den Städten. Die Ernährung konnte nicht mit den steigenden biologischen Energieansprüchen der Industriearbeit Schritt halten. Außerdem waren die wachsenden Städte Brutherde zunehmender Infektionskrankheiten.[70]
Global lag die Lebenserwartung im 18. Jahrhundert bei etwa 29 Jahren.[71] Seither hat sich die Lebenserwartung in jeder Region der Erde mehr als verdoppelt.[72]