Bis letzten Sommer hatte ich einen drogensüchtigen Stalker.
Die Sache kam so: Im August 06 lernte ich beim Einkaufen in meinem Dorf einen Mann kennen, der nicht nur dem kurz zuvor an Krebs verstorbenen Mann meines Lebens unglaublich ähnlich sah, sondern sich auch sehr überzeugend darin zeigte, mich glauben zu machen, er sei an mir interessiert.
Eins kam zum anderen, und am 1. November 06 zog er bei mir ein.
(Warum genau ich auf ihn hereingefallen bin, möchte ich lieber an anderer Stelle erörtern.)
Da ich bis dahin keinerlei Erfahrungen mit Süchtigen hatte, merkte ich erst gegen Februar, dass er, der anfangs vor Energie nur so gestrotzt hatte, massiv am Abbauen war. Unzählige nichteingehaltene Vereinbarungen und tausenderlei mehr oder weniger abenteuerliche Ausreden später gab mir ein Bekannter, dessen Bruder mal heroinsüchtig gewesen war, den entscheidenden Tip.
Ich habe mich daraufhin mit meinem "Freund" (nachträglich muss ich es in Anführungszeichen setzen) in meinem Dachgeschoss eingeschlossen und versucht, mit ihm den kalten Entzug durchzustehen, bis ich fand, was er eingeschmuggelt hatte. Daraufhin habe ich ihn in eine Klinik gebracht.
Nach seiner Rückkehr stellte ich die folgende Regel auf: Jeden Morgen kriegte ich von ihm eine Urinprobe, in die ich einen Schnelltest hielt, von denen ich mir von einer Drogen-Nachsorgeeinrichtung einen Vorrat beschafft hatte. War die Probe sauber, bekam er alles, was er sich nur wünschen konnte, war sie es nicht, setzte ich ihn auf die Strasse und liess ihn erst wieder herein, wenn er in der oben erwähnten Einrichtung eine saubere Probe abgegeben hatte.
Was das für Szenen nach sich zog, lässt sich nur schwer hier beschreiben - es würde den Rahmen sprengen. Kurz und gut, er hat mich irgendwann derart massiv bedroht, dass ich ihn ganz meines Hauses verweisen musste.
Seit jener Zeit verfolgte er mich, immer wieder auf gestohlenen Motorrädern, von denen eines vor meiner Tür sichergestellt wurde, mittels Auflauern, mit Briefen, SMS und Telefonterror, immer zwischen Heiratsantrag und Morddrohung schwankend.
Inzwischen sitzt er ein. Die Briefe (des üblichen Inhalts), die er mir von dort schrieb und vielleicht noch schreibt, lasse ich durch die Staatsanwaltschaft zurückhalten; er wird sie am Ende seines Gefängnisaufenhalts zurückerhalten.
Ich war und bin ausserstande, auseinanderzuhalten, was von dem, was er mir erzählt hat, gelogen war und was nicht. Ich finde es äusserst anstrengend, mit einem Menschen Umgang zu haben, bei dem ich diesbezüglich jedesmal spekulieren muss, bis die Indizien endlich ein plausibles Bild ergeben.
Ein Drogensüchtiger behauptet alles, was man hören will: Dass er aufhören wolle, ja schon aufgehört habe, dass er fest entschlossen sei, aber eben doch noch eine einzige Chance brauche, um es diesmal endlich richtig zu machen - umsonst. Das Ende ist immer dasselbe: Es geht um nichts als um die nächste Dosis.
Darum halte ich von Süchtigen in Zukunft den grösstmöglichen Abstand. Das bedeutet, dass ich nichts mit ihnen selbst, ausserdem nichts mit ihren Freunden und Angehörigen zu tun haben will: Jede Nachricht, ob freundlich oder nicht, die einen Süchtigen auf welchem Wege auch immer erreicht, wird er unweigerlich instrumentalisieren, um an das zu kommen, was er zu brauchen glaubt.
So meine Erfahrung, entsprechend meine Haltung.