Guten Tag, derstreek,
„Das ist doch ein praxisferner Tipp,“ schreibst Du. Nun, rein logisch: Das hängt von der „Praxis“ des Betroffenen ab. Wenn es zu dieser Praxis unabdingbar gehört, nach den Mahlzeiten ein fruchtiges Dessert zu genießen – dann kann ich ihm nur guten Appetit wünschen. Mit Bedauern.
„Wenn jemand mit einer Fruktoseintoleranz auf Rohkost umsteigt, bekommt er erst mal richtige Verdauungsbeschwerden,“ schreibst Du weiter. -- Genauso ist es. Weil die Leut sich fast durchwegs nicht an die „praxisfernen Tipps“ halten. Daß jemand „Rohkost nicht vertrage“, hör ich alle paar Tage. Das klärt sich bei Nachfragen nach den Details.
„Wie lange soll man denn das durchhalten?“ -- Man „soll“ nicht – man ist eingeladen. Man „soll“ auch E-Smog nicht meiden – aber manche finden das dennoch eine gute Idee.
Das „Durchhalte-Problem“ löst sich, wenn man sich an eine der Nahrungsmittel-Tabellen hält, beispielsweise
Tabelle: Fruktosegehalte
(Es gibt noch umfangreichere.) Tatsächlich wird bei Fruktoseintolerenz eine „Karenzzeit“ von mehreren Wochen empfohlen, in der die Auswahl noch stärker eingeschränkt ist. Auch dies steht in den meisten Tabellen. Man verhungert definitiv nicht.
„Hattest du denn überhaupt eine Fruktoseintoleranz?“ -- Was tut das zur Sache? Hätte ich keine gehabt, dürfte ich vielleicht zu dem Thema nichts sagen? Das wäre nicht das Vorgehen einer rationalen Heilkunde. Da geht es um mehr als Einzelfälle. (Wenn man etwas belegen will, findet man immer einen „Fall“, der passt.) Ich kenne Ärzte, die sich auf schwere neurologische Krankheiten spezialisiert haben – mit Erfolg, soweit überhaupt noch möglich -, ohne jemals selber an MA, ALS, MP, MS, PNP gelitten zu haben.
(Nebenbei, falls Deine Frage aus Mitgefühl kam: Ich habe Fruktoseintoleranz, richtig getestet. [Allerdings noch andere, wesentlich schwererwiegende Erkrankungen.] Krieg immer noch die Anfangssymptome, wenn wir jemand Zwetschgenkuchen mitbringt. Weil ich, charakterschwach, dem nicht widerstehe. Sonst stört’s mich nicht. Auch nicht, wenn ich mal viel rohe Karotten esse. Bin ich jetzt glaubwürdiger? Ich hoffe nicht.)
“Wenn der Umstieg auf Rohkost die Lösung wäre, das wäre echt der Wahnsinn“, meinst Du. -- Nein: Der Wahnsinn ist, dass wir meinen, wir müssten unser völlig degeneriertes Futter vertragen, und wenn wir das nicht tun, seien wir krank. (Vermute, dass demnächst eine neue Krankheitsbezeichnung erfunden wird: „Intoleranz für Monsantofutter“, das genmanipulierte. Dann wird die Industrie auch dafür Medikamente mit gefälschten „Studien“ in den Markt drücken.)
Oder denk an Pottenger’s berühmte Katzenexperimente („Pottenger’s Cats“, die Publikation): Wenn man Katzen ausschließlich pasteurisierte Milch gibt, sterben sie in der 4. Generation aus; mit Rohmilch gedeihen sie. Aber nicht das ist „echt der Wahnsinn“. Der ist vielmehr, dass man überhaupt meinen kann, lebende Organismen könnten mit denaturierter Nahrung überleben. Damals war man noch nicht so weit wie heute: man hat keine Krankheit erfunden „Pasteurisierungsintoleranz“. Sondern man hat den Katzen Rohmilch gegeben und sie Mäuse fangen lassen.
Fruktoseintoleranz ist überhaupt keine Erkrankung sondern eine normale Reaktion auf Nahrung, für die wir auf Grund unserer Stammesgeschichte nicht ausgelegt sind. Genauso wie Elektrohypersensitivität keine Erkrankung ist sondern eine normale Reaktion auf unzumutbare, uns von Menschen aus wirtschaftlichen Gründen aufgezwungene Umweltbedingungen. Die EHSler haben eine schärfere Wahrnehmung, eine bessere Propriozeption. Gut für sie.
Gewohnheitsmuster sind schwer zu ändern. Geht nur bei erheblichem Leiden. (Oder, in seltenen Fällen, wenn jemand sehr hell ist.) Und die Nahrung unserer Kindheit, was Mama so alles gekocht hat und wie lecker das war, sind vielleicht für viele die tiefste der bewussten Wurzeln. Vielleicht kaufen wir immer noch bei EDEKA ein wie Mama vor Zeiten. Aber, bei näherer Betrachtung: Bei EDEKA gibt es heute ganz andere Dinge. Auch wenn sie ähnlich ausschauen. Viel giftiger eben. Klar, dass dann die Meinung sich bildet, „Rohkost geht gar nicht.“
„Was völlig fehlt bei deinen Beiträgen und in den Büchern Dr. Mutter sind die Erfolgsberichte, noch ein wenig Motivation, damit zu beginnen.“ -- Dafür gibt’s einfache Lösungen: Meine Beiträge einfach vergessen. Dr. Mutter nimmt sehr gern Verbesserungsvorschläge entgegen. (Ganz ohne Ironie gesagt.) In der Regel antwortet er darauf. Wenn er’s zeitlich schafft.
Mich persönlich beeindrucken und beeinflussen weniger „Erfolgsberichte“ (die stehen in jeder Werbung) sondern Informationen über die Prozesse, die heilen.
“Man muss erst mal wegkommen von den Beschwerden, der Darm muss sich beruhigen mit einer verträglichen, fruktosearmen Ernährung.“ -- Genau. Dazu dient die o.g. Karenzzeit.
„Dann kann man darüber nachdenken ob man der Rohkost mal ein paar Wochen die Chance geben will, zu zeigen was sie kann.“ Tut etwas weh, Deine Sprache. Es ist nicht so, dass wir der Rohkost eine Chance geben. Sie ist vielmehr die Chance. Eine große, m.E. (Und ein paar Wochen – da verkennst Du die Inkonsequenz der Menschen, ihre Neigung zu Rückfällen. Es ist für die meisten sehr mühsam. Zumal wenn der Rest der Familie Schweinebraten und Semmelknödel futtert.)
“Die Frage ist: Hat bei der Umstieg auf Rohkost jemals funktioniert bei einem Fruktoseintoleranten?“ -- Das mag
Deine Frage sein. (Ich kann sie, nebenbei, mit Ja beantworten: bin selber ein „Fallbeispiel“. Aber Einzelfälle sagen wenig, können durch Suggestion bedingt sein usw.). Die viel wichtigere Frage, m.E.: Sind die Mechanismen, die zu Symptomen führen und diejenigen, die lindern, bekannt, konsistent, physiologisch plausibel, erwiesen?
Besten Gruß
Windpferd